Ein Märchen von Till Mairhofer. Geschaffen und vorgetragen zur Rauminstallation "ARG - Absolut Reines Gold" in der Galerie K2
Till Mairhofer
Abgekratzt
Johannes oder das Märchen vom Gold
Johannes war ein braver Junge, der hatte reiche aber auch liebe Eltern, eine jüngere Schwester, jedoch mit dem Besuch des Gymnasiums begann seine liebe Not. Faul wie ein feuchter Fetzen, meinte sein Klassenvorstand, aber wenn ich dich an die Wand werfe, bist Hannes selbst zum Herunterfallen du zu faul. Hannes!, warum hast du schon wieder deinen Malbecher vergessen? Schillers Glocke auswendig zu lernen ist die Strafe, du weißt, so ein weiterer Pädagoge. Was hast du zu deiner Verteidigung vorzubringen? –
Auf dem Weg von der Ennsleite die Damberggasse hinab . . . – Hannes, fasse dich kurz! . . . – fiel mir der Becher aus der Schultasche, rollte erst den Gehsteig hinunter, dann auf die abschüssige Straße . . . – Und? – . . . wurde von einem Steyr-LKW überfahren. – Für diese gut erfundene Geschichte deiner Ausrede, Hannes, erlasse ich dir die Strafe, merke aber, was Schiller dir zuruft:
Wo Starkes sich und Mildes paarten,
Da gibt es einen guten Klang.
Drum prüfe, wer sich ewig bindet,
Ob sich das Herz zum Herzen findet!
Der Wahn ist kurz, die Reu ist lang.
Bald verließ Johannes die höhere allgemeinbildende Schule, erlernte den Beruf seines Vaters, diente bei ihm sein Meisterjahr, vergoldete gemeinsam Speisegitter in Kirchen und als – ganz plötzlich – sein Vater jung verstarb, in dessen Nachfolge Kelche, Monstranzen und Tabernakel. Daneben studierte er auf der Hochschule Kunst, aber die Welt machte nicht halt vor und inmitten all seines ererbten Goldes, das wie Stroh schon zu Geld gesponnen, zur Maximierung bereit lag.
Dort, wo zwischen Steyr und Perg im Granitsteinbruch des ehemaligen KZs Mauthausen jetzt in den 1980er Jahren die so genannten Hochschulflüchtlinge der Klasse Gsöllpointner – zwischen Lagerfeuern und Most – arbeiteten, bis eine Tafelaufschrift ›Todesstiege wegen Renovierung geschlossen‹ sie, wie Johannes später noch vieles, vor den Kopf stieß. Auch die Überbringung der Nachricht vom Tod seiner Mutter. Zeitungsfotografen riefen an. Ob er nicht wisse. . . ? – Nein! was . . . ?, daß eine einzige Pappel in der jugoslawischen Bora auf ein einziges Urlaubsauto auf den Beifahrersitz gefallen sei, auf dem seine Mutter tödliche Verletzungen erlitten.
Die vierzehnjährige Schwester einst hatte ihn aus einem schwarzen Loch gerettet, jetzt aus Südafrika, dem Land des Kaps Der guten Hoffnung wieder zurückgekehrt, meinte sie, Johannes! wir müssen wieder zu Boden blicken und der ältere Bruder nahm sie beim Wort, besuchte sie, die ausgewandert, wenig später in Florida und entlieh sich für ihre Eheschließung ein Kostüm a la Miami Vice. Selber heiratete er auch gleich, allerdings in Hausschuhen & Urlaubskleidung auf dem Ocean-Key-House, nicht ohne vorher, in Anwesenheit mehrere Notare, erstmals Gold aus einem Helikopter zu versenken im Big Cypress Nationalpark.
Und wenn nicht jetzt, dann nimmermehr, unsere Mär, das Märchen vom Gold, mag so nun endlich beginnen, daß nachdem unser Hanns nunmehr gedient, endlich aufbrach. Mein Klumpen, den es gilt heimzutragen ist zwar aus purem Gold, aber es lastet so schwer auf meiner Schulter, daß ich den Kopf dabei nicht gerade halten kann. Und so bildeten sich in seinem Gehirn jede Menge schräger Gedanken und Ideen. Verwirrt vom Ich und dem Du, das immer der Andere, beseelt von einem heilenwollenden Willen verbanden die Zwei und die Sieben sich zur Zahl Siebenundzwanzig, welche in Quersumme die Neun ergibt, welche geteilt durch die göttliche Drei sich zurückführen läßt auf die Trinität. Hanns, der Transformateur, war geboren und mit ihm in Israel am tiefsten Punkt der Erde die erste Wiedergutmachung, um der Erde ihr geraubtes Gold wiederzugeben. An der Spitze des virtuellen Dreiecks steht die Kunst, auf seiner Hypotenuse das Bodengold. Linkerhand im Punkt A ich : das Werk des Künstlers, rechterhand im Punkt B aber an dem Platz, den ich freigebe : du! Ich gebe dank deiner Hilfe das Gold in einem lebenslangen Procedere der Erde zurück, dachte Hanns und war glücklich.
Wie es sich so im Märchen schickt, saßen drei ChoriFeen Hannes zur Seite, als er mit heißer Haut im Toten Meer schaukelte : ein analytischer Psychologe, ein Seins-Philosoph und ein Erfinder der Projektkunst. Der archetypisch kollektive Alchemist meinte: Energie an sich ist weder gut noch böse, weder nützlich noch schädlich, sondern indifferent, da sie abhängt von der Form, in welche sie eingeht. Die Form gibt der Energie die Qualität. Der Philosoph zitierte aus einem schon mehrfach im Meer getriebenen Reclam-Heft – vermutlich war er im Sinnieren gelegentlich eingeschlafen – was das Zeugsein des Zeuges in Wahrheit sei und interpretierte den ›Ursprung des Kunstwerks‹ am Beispiel von van Goghs Gemälde eines Paares von Bauernschuhen. Und der Dritte erklärte seinen »erweiterten Kunstbegriff.« All das gefiel Hanns ausgezeichnet, während er sich an Armen, Beinen, am Rücken und Bauch kratzte. Tellaura Anachtonismus. Die Rückkehr des Goldes zur Erde. Meine Kunst soll mit Füßen getreten werden. Und du : der Andere setzt deine Fußstapfen auf mich und hinterläßt deine Fußspuren auf dem Gold und trägst mit deinen Schuh-sohlen und dem feinen Staub, der jetzt an ihnen haftet wie somit auch an dir, dazu bei, daß das Gold wieder zurückkehrt in den Boden. So sind die hinterlassenen Relikte ein kollektives Werk. Und die erste ChoriFee nickte anerkennend: Wo immer der forschende Geist sich von der genauesten Beobachtung des tatsächlich Vorhandenen entfernt und eigene Wege einschlägt, da nimmt der unbewußte spiritus rector die Zügel in die Hand und führt ihn zu den ihm unveränderlich zugrundeliegenden Archetypen zurück, die durch diese Regression zur Projektion veranlaßt werden.
So gestärkt, weil in sich bestätigt, entschied Hanns : Auch wenn die Beschaffung des Goldes auf Ausbeutung und Raub beruht, die Erdkraft ist eine Gut-kraft. So will ich mich daranmachen, dem materiellen Gold das immaterielle gegenüber zu stellen. Und da ihn der Klumpen auf seinen Schultern mehr und mehr drückte, entschloß sich Hanns, sein Gold einzutauschen, um es zu transzendieren.
Wie anfangs das Pferd seinen Reiter, aber je geübter später auch umgekehrt, jagte Hanns seinen Gedankensprüngen nach oder wurde von ihnen gejagt. Soziales Gold, um menschliches Leid zu verringern. Bei jedem Verkauf eines Goldobjekts einen Teil des Verkaufspreises sozial bedürftigen Menschen zufließen zu lassen, so möge zukünftig meine ›Goldene Regel‹ lauten. So ritt er wohlgemut eine Weile dahin und sah sein nächstes Projekt vor Augen. Johannes Goldhoff würde er sich fortab nennen und seine vergoldeten Platten den Menschen zufüßen legen. Als in Weistrach, tief draußen am Land, dort wo dessen Landesregent heute noch stolz ist, kein Buch je gelesen zu haben außer ›Der Schatz im Silbersee‹, ein Ausstellungsbesucher auf einer vergoldeten Kindergruppe aus einem KZ-Vernichtungslager auf dem Weg in den Tod, daneben ein nackter von Goldsuchern ermordeter Indianer, einen Kopfstand versuchte, um sich darüber lustig zu machen, spürte Hanns, der Demütige, in sich den und somit alle Gedemütigten.
Nichts ahnend von Gefahr
Nur die Affen schon
Versammelt in den Bäumen
Schreien schrill
Während er noch schläft
Und er beschloß, seine Arbeit am erweiterten Goldbegriff nunmehr hinaus-zutragen in den öffentlichen Raum. So wälzte Hanns erneut Idee um Idee, sie gegen materiellen Reichtum zu tauschen. Das gesamte Telefonbuch seiner Vaterstadt, 35.000 Teilnehmeranschlüsse, auf den beiden Stadtplatzgehsteigen sollte zum Mit-den-Füßen-getreten-Werden aufliegen zwischen eingeschwärz-ten Dreischichtplatten. Zwei Wochen sollten die Passanten sie begehen. Dann würden die auf einem in der Mitte frei gebliebenen Textstreifen von cirka einem Meter Breite entstandenen Spuren, darunter die Telefonnummern, vergoldet. Das, wie jedem ersichtlich, war für die Amtsträger einer seit mehr als tausend Jahren erzherzöglich privilegierten Stadt um vieles mehr als eine Schuhlänge zu großspurig. Und ehe Hanns sich versah, war er abgeworfen worden und lag in einem Graben, der die Äcker von der Landstraße trennte. Ein Bauer kam des Weges, sah Hanns da liegen und meinte, hier ein Häufchen Elend vor sich zu haben. Aber Hanns erhob sich ganz geschwind aus dem Straßengraben und verkündete dem Verdutzten: Die Stadt hatte keine Einwände, nur der Verein Altstadt, er hat mein Projekt zu Fall gebracht! Ich würde Müll produzieren. Umweltunverträglichkeit! Was sagst du dazu? Der Bauer, der an Hannsens erboster Rede Gefallen fand, ihr aber des weiteren nicht folgen konnte, allerdings ›Behörde‹ und unvorstellbare ›Umweltauflagen‹ verstand, weil letztere auch ihnen betrafen und glaubte, Hannsens Phantasie, die mit ihm durchgegangen sei, eingefangen zu haben, meinte : Da lob ich mir doch meine Kuh, da kann einer mit Gemächlichkeit hinterhergehen, und hat obendrein seine Milch, Butter und Käse jeden Tag gewiß. Und Hanns gedachte seiner lieben Schwester, wie sie ihn einst vor dem Ärgsten bewahrt und ihn ihrer Freundin zugeführt hatte kurz nach dem Tod der Mutter – Wer ist der Mann mit dem Raucherhusten? – denn, wenn du über Gold gehst, denke, was dir versprochen wurde vom Leben und was du bekommen hast, was bewundert wurde und was verachtet, von dir wie von anderen vor und neben und nach dir, was unnötig war und was nützlich, was schwer und was leicht, und denke bei jedem Treten, was du trittst und was dadurch zutagetritt. Paß auf, daß du nicht hinfällst. Und wieder hatte eine Fee gesprochen, diesmals eine, die er später eine seiner Prinzessinnen nannte. So entstanden Projekte wie ›Frauenhäuser‹ aber auch ›Minenfelder‹ und sagte Hanns : Nie auf der Stelle treten, niemals jemanden tot treten, sondern immer nur in Aktion bleiben. Denn wie forderte schon Provokateur Beuys, Picasso aufgreifend: Kunst müßte sein wie ein scharfes Messer . . . um Mißstände, Ungerechtigkeiten, Verletzungen von Menschenrechten oder Kriege zu verhindern, auch wenn sie dieses Ziel nie erreicht habe.
Wenn die Stadt, um ihre Bewohner zu vergolden, mir die Hand nicht reicht, übergolde ich eben das ganze Land : ›Die Goldene Empore‹.
Fast 2000 Tafeln waren mit eingetauschtem Blattgold zu überziehen. Fünf Mitarbeiter dingte Hanns, der inzwischen die Kuh, die zu melken ihm widerstrebte, gegen ein Schwein eingetauscht hatte, um gegen die marktwirtschaftlichen Metzger vorzugehen, die an allem und jedem nur ein Stück fetten Bratens rochen oder das längere Ende der Wurst. Hanns aber bezahlte nach gefertigter Stückzahl oder Zeit, so wie jeder seiner Arbeitnehmer dies wünschte. Jeder, sagte Hanns, schaffe sich sein eigenes Arbeitszeitmodell, denn Lebenszeit an sich ist unbezahlbar. So wurde circa 5 Monate lang vergoldet, jede Platte im Ausmaß von 67 x 96 Zentimeter, Kosten 35.000 Euro, Gewinn nach späterem Verkauf der Objekte 5000 Euro, abgeführte Spenden ebenfalls der gleiche Betrag, blieb ein Verlust von 25.000 Euro, den Hanns als den verbleibenden Mehrwert verbuchte. 1700 Tafeln als work in progress blieben für die Zukunft bestehen. Das Elternhaus und ein weiteres inzwischen verkauft, fand Hanns sich glücklich in einer neuen Wohnung wieder, Adresse Kristallstraße, wenn das kein Vorzeichen war!
Kristalltag ward in Augenschein genommen und die Sommerolympiade zur Jahrtausendwende in Sydney. Dreimal Australien und zurück, immer umtriebiger wurde Hanns, als er vor Österreichs höchstem Dom auf Warren Wunba stieß, und dieser begleitet vom Eingeborenengesang der Aboriginals und vom (Schiller´schen?) Kirchenglockengedröhn auf Hannes Spurenwerk verwies, ihn umarmte und seine Schminke auf Hannes Schulter schmolz. You are my real brother. Flugzeuge waren gechartert, alle Ausfuhrgenehmigungen eingeholt, Hunderte blattvergoldete Tafeln sollten bei der Eröffnung der Olympischen Spiele die Laufbahn auslegen, darunter die Geschichte des Goldes, darüber die ihre Spuren ziehenden Sportler; nicht jeder würde hier eine Goldmedaille erringen, aber der Olympische Gedanke : völkerverbindend, versöhnend, dabei sein ist alles, der Weg unser wichtigstes Ziel. Bis auch hier, viel zu spät, die Absage des Komitees erfolgte. Ich will meinen Atheleten nichts in den Weg legen, so der Zeremonienmeister.
Dieses Schwein, das mir kein Glück gebracht, sollte ich tauschen, dachte Hanns, es hat mich nur Zeit gekostet. Da gab ihm seine Frau recht. Aber währenddessen war auch schon wieder jede Menge Gold den Bach hinabgegangen, vor allem das Grenzhaus in der Molkereistadt : Hausnummer 27. Und, darin gab Hanns seiner Angetrauten recht, sie sei schließlich nicht seine goldene Gans. So wurde in gegenseitigem Einvernehmen geschieden, was zu scheiden war, nicht aber getrennt, was unzertrennlich.
Man muß schon viel aufs Spiel setzen, dachte sich Hanns, aber daß jemand durch mich ins Unglück gerät, das will ich gewiß nicht. So saß er jetzt, buchstäblich vor die Tür gesetzt. Ein Hammerschlag hatte die Verbundglasscheibe eines 250dm2 großen Bildinhalts zerschlagen, die auf eine zweite geklebt war, so daß diese mit lautem Knall barst. Sechzig Sekunden lang war ein knisterndes Geräusch zu hören, fast so, wie wenn im Frühjahr das Eis einer gefrorenen Wasseroberfläche, ausgesetzt der starken Sonneneinstrahlung, plötzlich nicht mehr widersteht. Jetzt nicht einbrechen, jetzt nicht das Opfer zum Selbstmordattentäter transformieren. Zum Gedenken an die Reichskristallnacht diese in den ›Kristalltag‹ verwandeln. Die vom Schicksalsschlag befreiten Risse und Bruchlinien sich verbinden sehen mit den menschlichen Spuren, die ihn erlebt, durchlebt und überlebt haben. Die Verfolgung verfolgend umwandeln in die Vision einer friedvolleren Zukunft.
Vor der Obdachlosigkeit stehend, wie könnte es im Märchen anders sein, kamen gleich mehrere Prinzessinnen Hanns ebenso sprichwörtlich wie aus mehreren Himmelsrichtungen entgegen, boten ihm Quartier, Atelier und Ausstellungsräume.
Aus den Flüssen seiner Vaterstadt wurden Kriegsrelikte geborgen, die Idee geboren, sie mit Hilfe der Kunst zu Gutem zu wenden und Hanns leitete das Projekt ›Vom Wasser bedeckt‹. Ein Jahrhunderthochwasser hatte daran kräftigen Anteil und jede Menge Schlamm aufgewirbelt und Treibgut. Viele packten mit an, die Schäden zu beseitigen. Manchem Relikt aber wurde tatsächlich die Metamorphose zum Kunstwerk zuteil und Hanns, der jetzt auch als Betreuer in einer Tagesheimwerkstätte arbeitete, setzte neue Gedanken um : ›Entschleunigte Kleinskulpturen in Edelmetall›‹.
Endlich begegnete Hanns auch einem Schloßherrn, der zwar nicht reich an Gold wohl aber an an Einfluß war. Diesem gefielen die Ideen vom Bodengold außerordentlich gut und er lud Hanns ein, im Rahmen einer großen Gold-Hommage auf seinem wunderschönen Schloß diese zu präsentieren : auf dem Korridor des Kammergartens, der das Untere Belvedere mit der Orangerie verbindet. Auch ein ›Diptychon‹ im Orangenhain sollte Hannens Absicht zeigen. Der ›Kristalltag‹ hatte einen Ortswechsel vollzogen, ein zweiter folgte wenig später. In der Rathauspassage seiner Vaterstadt hängt es seither dauerhaft, Hanns hat es der Stadt geschenkt.
Und so mag es Hanns, der nun schon 27 Jahre lang kreuz und quer durch die Welt unterwegs war, um soziale Goldrelikte zu sammeln und sein siebenundzwanzigstes an einen goldenen Nagel hängte, ergangen sein, als er durch das bisher letzte Dorf gekommen war, das sich heute stolz Marktgemeinde nennt :
Ich schleife die Schere und drehe geschwind,
und hänge mein Mäntelchen gegen den Wind.
Noch bin ich nicht abgekratzt, aber Gekrätz habe ich genug hinterlassen. Ab hier und jetzt kratze ich vom Blattgold zusammen, was mir auf meinen unverkauften Platten so reichlich geblieben, aufdaß neue Kunst entstehe. Aus der Erde entnommen, raffiniert zu Gold, verarbeitet, dann wieder mit Erde und Staub vermischt und erneut gereinigt im galvanischen Bad. Hanns, wie raffiniert!
Da habe ich einen so schönen Spiegel, sagte sich Hanns, und den werde ich abkratzen. Wie schaut der Mensch dahinter aus. Das ist doch noch viel mehr an geleisteter Arbeit. Jeder der abkratzt, formt als Transformator die schönsten Objekte. Und ich freue mich, daß ich mich nicht in ihnen getäuscht habe. Drucker, Sieber, Redakteure, der Chefredakteur und der Zeitungsmogul, alle kratzen sie ab und hinterlassen dabei ihre Spuren, dazu noch die Bauleute, die Erbauer der neuen Räume. Der Polier geht voran und ruft alle anderen herbei : Da kommt her, hier steigt drauf, und dort steigt hin! Kunst am Bau, lupenreine Kunst. Vielleicht will ich gar kein Künstler sein. So gebe ich doch meinen Platz frei. Ich will doch, daß die anderen zu Künstlern werden, konstruktiv destruktiv, destruktiv konstruktiv, das ist das Wahre, das ist die Schönheit. Und ich bin nur der Werkzeugmacher. Hanns Kopf wurde ganz weit, wenn er so sprach und alles Wirre verwirklicht, war damit jetzt so wirklich, daß jeder, der ihn je so erlebte, spürte : das ist ein rechter Hans im Glück.
Somit das Märchen beendet, damit auch sein Rahmen zu schließen ist.
Das Geheimnis dessen, was sich Kunst nennt, ist das Schweigen, besser noch das Verschweigen dessen, was sie tut, denn : sie ist einfach.
So lud Johannes zuletzt einfach sein Ich sich auf. Und rastete noch einmal. Dabei konnte er sich des Gedankens nicht erwehren, wie gut es wäre, wenn er gerade jetzt nichts zu tragen bräuchte. Nicht einmal mehr die Goldkappen auf seinen absatzlosen Waldviertler-Schuhen : seine Kampfansage, seinen Wetzstein. Und er warf alles in den Brunnen, an dessen Rand er gerade saß. Als er sich, so mit in die Tiefe versinken sah, sprang er auf und dankte unter Tränen, daß ihm auch diese Gnade noch erwiesen und ihn auf so eine gute Art, ohne daß er sich einen Vorwurf zu machen brauchte, auch noch von den Ordnungszahlen 79 für Gold und 80 für Quecksilber befreit hatte. Und wie Schuppen fiel es ihm erst von der Haut, dann von den Augen, in seinem Streben, das, was der Mensch eigentlich ist, zu werden und wozu ihn seine Mutter geboren hatte : nämlich nach einem langen, in tausend Irrtümer verstrickten Leben zum filius regius, zum Sohne der höchsten Mutter, so der Analytiker. Oder, um auch dem Existentialisten beizupflichten: Im Werk der Kunst hat die Wahrheit sich ins Seiende gesetzt, denn Werksein heißt: eine Welt aufstellen. Im Welten ist jene Geräumigkeit versammelt, aus der sie sich verschenkt oder versagt. Auch das Verhängnis des Ausbleibens ist eine Weise, wie Welt weltet. Um damit, wie es dem Märchenerzähler obliegt, ganz einfach zu schließen : . . . und so lange er dabei noch nicht gestorben ist, transformiert Johannes Goldhoff Angerbauer sich weiter, zumindest an jedem Freitag jeden Jahres, der auf einen siebenundzwanzigsten fällt.
Jän. – März 2016 TM