Mag Dr Peter ASSMANN

Konstellationen der Bildkunst – eine Ausstellung zum Vergleichen


Die Kunst – und im speziellen die bildende Kunst – entwickelt sich vorallem im Vergleich, in der Möglichkeit Gestaltungsphänomene direkt zu konfrontieren und so gleiche Orientierung wie auch individuelle Ausprägungen präzise zu erfahren. So wichtig auch das ausschließlich auf das Einzelwerk ausgerichtete Kunsterleben ist, so markant zeigen sich die jeweiligen Tiefendimensionen einer Werkkonzeption erst im - möglichst direkten - Bezug zu anderen Werken.

Ein solcher Vergleich öffnet um so mehr überraschende Einblicke je weniger die Zusammenstellung der einzelnen künstlerischen Werkstücke nach einem stringenten Auswahlkonzept strukturiert wurde, je mehr oder weniger zufällig sich die Vergleichsblicke ergeben, je mehr Raum dem Betrachter für seine eigenen Blickzusammenführungen gelassen wird.


Bei der vom 22.10. bis 3.11.1996 in der New Yorker Galerie ART54 zu sehenden Ausstellung von sieben oberösterreichischen Künstlern lassen sich viele solche Betrachtungsdeckungen erkennen. Die Gemeinsamkeit dieser Künstler besteht ausschließlich im biographischen Zusammenhang – der Herkunft aus Oberösterreich, genauer dem Mühlviertel – und dem Entschluß, sich gemeinsam in New York zu präsentieren. Eventuell könnte hier noch die – sehr allgemeine – gemeinsame künstlerische Bezugsgröße „Malerei“ genannt werden, doch hier beginnen bereits die interessanten Differenzierungen:


Das Spektrum der ausgestellten Werke reicht von der traditionellen Malerei als Farbauftrag auf einen Bildträger bis hin zu collageartigen Oberflächenstrukturierungen bzw, von einer Malerei, die sich mit graphischen Gestaltungsformen verschränkt, bis hin zu textilnahen Bildobjekten. Speziell das künstlerische Bemühen um direkte Verbindungen malerischer wie auch grafischer Gestaltungsformen in einer Bildkomposition erhält besondere Aufmerksamkeit.


Markus Huber etwa entwickelt seine charakteristische graphische Formenwelt aus malerischen Farbflächenstrukturen. Seine Tier-, Menschen- und Objektwesen wachsen gleichsam aus einer Urmasse des Urförmigen heraus, sie bleiben in ihren Körperdefinitionen jedoch stets dieser Farbmasse verbunden und vermitteln im Zusammenspiel eine gemeinsame Welt des Unheimlichen und Grotesken, die sich in kunsthistorischer Nachbarschaft zum großen österreichischen Zeichner dieses Jahrhunderts, zu Alfred Kubin stellt.


Thomas Steiner hingegen definiert die Verbindung zwischen Malerei und Grafik über die Tradition des Informel, der spontanen, möglichst direkten Ausdruckshandlung von Linienstrichen und Linienbahnen. Seine durchwegs in Schwarz/Weiß formulierten Strichstrukturen verdichten sich einerseits zu fast undurchdringbaren Überlagerungen, zu absoluten Formballungen, um anderseits behutsame Linienspuren in absolut zurückhaltender Weise über die Bildfläche wandern zu lassen. Bei aller „Unförmigkeit“ der Darstellung weisen seine Bildwelten doch stets in sehr entfernter Weise auf Figurensituationen, in der Abfolge der Blätter auch auf beinahe filmische Erzählsituationen hin – dies zumal wenn seine Arbeiten in direkter Nähe zu den Werken des vorgenannten Künstlers gesehen werden.


Malerei als Ausdruckshandlung bestimmt auch das Werk von Bernhard Mittes-Mittermayr. Aus dem möglichst direkten Farbauftrag arbeitet er figurale Annäherungen heraus, ohne jedoch diese Formkompositionen linear zu definieren: Sie beinhalten stets eine vom Künstler gesuchte Offenheit, die den expressiven Eigenwert der Farbform – auch ästhetisch – bestehen läßt. Als inhaltliche Besonderheit ist die intensive Auseinandersetzung mit religiösen Bildthemen, im speziellen dem gekreuzigten Christus zu nennen.


Ebenfalls im künstlerischen Zwischenbereich zwischen Figuration und abstrakter Formfindung operiert Ernst Hager. Sein künstlerisches Hauptthema ist die Suche nach den Formen biologischer Urtümlichkeit, nach den archetypischen Bildmotiven, die nicht nur in der europäischen Kultur ihre Wirksamkeit entfalten. Landschaftliche Bilderfahrungen werden in seinen Bildkompositionen zudem ebenso verarbeitet wie apotropäische oder matriarchalische Kulturzeichen.


Sehr behutsam läßt sich auch die künstlerische Arbeit von Rainer Füreder in diesen inhaltlichen Zusammenhang sehen, wenn gleich sich seine Bildtechnik markant unterscheidet: Neben einer ausgeprägten individuellen Zeichnungssprache, die auch farbige Strichsetzungen inkludiert, bilden textile Bildkompositionen wie auch Wandobjekte aus Holz seinen künstlerischen Werkschwerpunkt. Seine Formensprache entwickelt sich stets aus dem einzelnen Strich heraus, der sich sowohl als Negativ- wie als Positvform darstellt und sich daher durchwegs im Spannungsverhältnis zum Bildhinter(unter)grund definiert. Das Ornament wird hier ebenso im kulturellen Zusammenhang gesehen wie das primäre (primitive) Bildzeichen.


 Völlig anders vollzieht hingegen Johannes Angerbauer seine künstlerische Arbeit im Hinblick auf kulturelle Zeichensetzung und Begriffsbestimmungen. Mit großer Konsequenz konzentriert er hier seine Konzeptionen auf das Thema Gold, das er sowohl materiell wie auch begrifflich in immer neu variierte Werk- und Aktionsbestimmungen einsetzt. Seine meditativ wirkenden Bildflächen werden nach genauen inhaltlichen Konzeptionen aufgebaut, die in sehr kritischer Weise den Umgang der menschlichen Kultur mit den Ressourcen der Erde hinterfragen. Seine Aktionen machen den Betrachter stets zum Mitgestalter dieser Bildwerke.


Die volle Konzentration auf das Meditative einer Bildkomposition ist als Grundkategorie des künstlerischen Werkes von Gerold Leitner zu nennen. Ob mit den technischen Möglichkeiten der Malerei bzw. Zeichnung oder in jüngster Zeit verstärkt mit den Gestaltungskombinationen verschiedenster Papierstrukturen und behutsamer Oberflächen- und Farbmodulationen, stets erarbeitet der Künstler seine Bildkompositionen in möglichst sensibler und absolut behutsamer Annäherung. Das intensive Erfassen der vorgegebenen Materialstruktur ist wesentliche Voraussetzung für die Schöpfung dieser immer auf die Möglichkeit des Transzendenten ausgerichteten Bildwerks.


Die hier nur kurz skizzierten individuellen künstlerischen Bestimmungen der an diesem Ausstellungsprojekt beteiligten Künstlerpersönlichkeiten verweisen einmal mehr auf die immense Bandbreite einer gegenwärtigen künstlerischen Arbeit am Phänomen des Bildes, an der Gestaltung von bildhaften Kulturzeichen, die immer darauf ausgerichtet sind, das Bild der Welt in einer individuellen und dennoch sozial relevanten Bilderwelt zu konzentrieren. In welche Richtung diese Verdichtungen unternommen werden und welche Intensitäten sie in sich tragen – das klärt sich erst in direkten Vergleich.


„Kunst ist ein Zeichen, ein Ding, das die Realität in unserer geistigen Vorstellung wachruft.“ (Antoni Tapies, 1976)


Zum Projekt "Cast Iron Bier"

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