Marlene Elvira STEINZ

Eröffnungsrede zur Rauminstallation UNSCHARF MASKIEREN in der Galerie " Die Kunstschaffenden" Oberösterreich


Liebe Kunstgästinnen und Kunstgäste, liebe Elke, lieber Georg, liebe Helene, lieber Johannes und lieber Andreas.

Vielen Dank für die Einladung heute zu eurer Ausstellung „Unscharf maskieren“ sprechen zu dürfen!

 

Hier am gemeinsamen Anger der beiden Metallplastiker, Bildhauer und Konzeptkünstler Johannes „Anger“bauer Goldhoff und Andreas Schoenangerer“ finden wir uns ein, um deren beider Kunstprojekt zum Jahresthema der Kunstschaffenden zu entdecken. Denn mit allen Sinnesorganen ist diese „prozessorientierte Rauminstallation“ zu erfahren.


Der Begriff „Anger“ stammt aus dem Mittelhochdeutschen und bezeichnet ein meist grasbewachsenes Land oder einen Dorfplatz in Gemeinbesitz, der von allen Bewohnern der Stadt oder des Dorfes genutzt werden konnte. Dies reicht bis in die germanische Zeit zurück, der Anger war ein Ort für Feste, für gemeinschaftliche Aktivitäten und konnte als heiliger Kultplatz oder für Ratsversammlungen dienen.


Für Johannes Angerbauer Goldhoff verweist dieser Anger mit seinen Kunstwerken auch auf sein lebenslanges künstlerisches Werk mit der Thematik des Social Gold auf das Bodengold hin. Der Erde soll das Gold im Menschen wieder zurück gegeben werden. Ein Katharsis-Projekt. Durch die gemeinsame Versammlung vor Ort wird dieser Platz dahingehend genutzt, um die Aufmerksamkeit auf die Rückgabe des Goldes zu richten. Diesmal in Unschärfe.


Diesbezüglich präsentiert Johannes Angerbauer Goldhoff ein Video im Eingangsbereich, welches die erste Bodengoldinstallation vor 33 Jahren in diesem Ausstellungsraum zeigt.

Es ist ein 15minütiges Video, wo die Besucherinnen und Besucher 1990 nicht wußten, dass sie beim Betreten der Galerie gefilmt wurden.

In diesem Raum steht heute am Sockel das erste Bodengold-Relikt aus dieser Ausstellung. Eine Art „Zeitschleuse“. Das Objekt enthält Fotos aus der Sierra Pelada, einer Goldmine in Brasilien und wird mit dem ORF-Video von vor 33 Jahren in der Galerie, welches am Vernissageabend gefilmt wurde, kombiniert.

Notariell mit Siegel beglaubigt, sowie Goldhoff-Siegel bestätigt. Übrigens, rund um den Sockel wurden alle KOVID21 Verpackungsfolien der vergangenen Ausstellungen aus der Rathausgalerie in Steyr, wo Johannes Angerbauer Goldhoff seit 2022 ehrenamtlicher Kurator ist, verwendet.


Die damalige Ausstellung von 1990 hier in diesen Gemäuern, nannte sich „Tellaura Anachtonismos“ und war die erste ihrer Art. Mehr dazu können sie auf der sehr informativen HUMANGOLD-Webpage von Johannes Angerbauer Goldhoff nachlesen, da ein weiteres Merkmal seiner prozessorientierten Arbeit bedeutet, Spuren zu sichern und Entwicklungsschritte zu dokumentieren.


Sein Beitrag an den Wänden hier in der Galerie zeigt die Spuren von Desinfektionsmittel am Boden im Wartezimmer eines Steyrer Internisten.Die Bodenspuren wurden in der digitalen Nachbearbeitung farblich in Wert 27 oder im Goldwert 79 gesetzt und in Conbond ausgeführt. Alle Werke sind Unikate, punziert mit einer staatlichen Goldschmiede- und einer „Unikat”-Punze.

5 Steckdosen wurden im übrigen mit 23karätigem Sturmgold unscharf maskiert, also überklebt.


Die Hängung der Werke bezieht sich auf die Raumarchitektur und wurde teilweise punktgenau mittels Laser platziert. Diese Rauminstallation weist auf die Gewölbeansätze hin, auf den nachträglich eingebauten Bürokobel und nutzt Zwischenräume sowie bedient Achsen.


Alle glänzenden Flächen, wie Fenster, Glas, Boden wurden mit Luftpolsterfolie verkleidet um Unschärfe zu erreichen. Damit wurde mit der Erwartung gebrochen, den ambivalenten Glanz des Goldes wiederzufinden. Mit der Abwesenheit des Goldes wurde auch der Glanz verhüllt.


Unscharf maskieren ist im Übrigen eine Technik der Fotografie mit der man den Eindruck von Schärfe erhält. Das Foto wird mit einer unscharfen Kopie überlagert, um den Schärfeeindruck zu erhöhen. Diese Verwendung von einem Gegensatz zeigt eine funktionierende Begegnung von vermeintlichen Widersprüchen.


So ist es auch das Anliegen von Andreas Schoenangerer, an der Kippschwelle zwischen Gegensätzen tätig zu werden. Seit 2013 führt er regelmäßig mit Johannes Angerbauer Goldhoff Kunstprojekte durch.

Andreas Schoenangerer ist gelernter Metallplastiker und Restaurator und seit 25 Jahren aktiv im OÖ. Kunstorganismus vertreten. Einige Jahre mit dem „KünstlerkollektivNN“ sowie bei „Kunst im Leerstand in Steyr - G14“ - alias Grünmarkt 14 organisierend und ausstellend tätig.


Andreas geht mit dem Grundgedanken an die Arbeiten heran, dass scheinbare Widersprüche in Wirklichkeit keine sind. Die „Ambiguitätstoleranz" ist es, die ihn antreibt. Der lateinische Begriff Ambiguität bedeutet Mehrdeutigkeit und die Ambiguitätstoleranz bezeichnet dabei vereinfacht die Fähigkeit, „Vieldeutigkeit und Unsicherheit zur Kenntnis zu nehmen und ertragen zu können.“

Eine gewisse Ambiguitätstoleranz ist auch eine Voraussetzung, um sinnvoll mit anders denkenden zu kommunizieren, meint Andreas. Er will in seinem Bildinhalt den Grat zwischen objekthaft Figürlichem und Abstraktem erreichen und einen Raum eröffnen, der erst durch die Bildbetrachtung wirkt.


Zur Herstellung der hier ausgestellten Werke hat Andreas Schoenangerer eine eigene „Antragstechnik“ angewendet, die von ihm große Konzentration erfordert. (Seine Technik bezieht sich auch im Wesentlichen auf das Gebiet der Restaurierung.)


Angelehnt an die Meisterschaft der Kalligraphie übt sich der Künstler in Achtsamkeit und weiß den richtigen Moment um die Zeichen anzubringen, oder im Falle von Andreas den Antrag auf die Leinwand zu setzen.

Antrag bedeutet in diesem Fall, dass alte Kleidung in „Aqua Sporca“ (Farbmittel-Restwasser) getränkt und geknetet, im Sinne der Kalligraphie im richtigen Augenblick auf die Leinwand geworfen wird. Vorab ist ihm bewusst, ob er ein Objekt - etwas Bildhaftes – oder aus mehreren zusammenhängenden Aspekten des gleichen Textils zusammengesetzte Struktur schaffen will, was mehrere Würfe bedeutet.

Beim in der Installation verwendeten Textil, welches von der Volkshilfe bereits aussortiert wurde, verweist er wieder auf die Ambivalenz bei der Herstellung von Konfektionsware.


Die dabei entstandenen Antragsbilder werden im optimalen Fall nicht mehr nachbearbeitet. Das Ziel ist mit dem perfekten Antrag, das Resultat zu erreichen, wo der persönliche Beitrag des Künstlers nicht erkennbar ist und der Betrachter / die Betrachterin sich neutral darauf einlassen kann.

Für ihn gilt das Trübe im Bild als das Wichtigere. Denn das Trübe arbeitet weiter, das Klare verflüchtigt sich, so der Künstler.


Kunst bedeutet für Andreas Schoenangerer eine lustvolle Qual, in der die Toleranz der Ambiguität enthalten ist, sodass es mehrere Möglichkeiten gibt.

Sich selbst ständig kritisch zu betrachten oder auch die jeweilige Situation und über sich selbst lernen, sind seine Antriebsgedanken.

Es geht darum am Grat stehenzubleiben, wo der Nullpunkt herrscht. Die Gleichzeitigkeit besteht im Nullpunkt und die Achtsamkeit liegt im Nullpunkt. Wodurch auch die Ruhe sich entfalten kann. (Die Ruhe entsteht genau in dem Moment, wo man achtsam wird und es genießen kann sich zurückzunehmen.)


In seiner Werkspräsentation zeigt Andreas Schoenangerer „metabolische Bilder“, als Materialien verwendet er Acrylbinder, Marmormehl und Pigment auf Baumwolle oder Leinen.

Inspiriert ist er durch Hannah Arendt, Thomas Bauer oder Francois Jullien, einem Philosophen und Sinologen, der Ost- und Westkulturen zusammenführt und Gegenüberstellungen vollzieht.

Der hier entstandene „unscharf maskierte“ Raum lässt eine bestimmte Atmosphäre entstehen, die jeder für sich interpretieren muss.

Wie fühlen Sie sich so leicht und locker auf Wolken stehend oder sehen Sie sich eher auf der weißen Wellengischt des Meeres schwebend?

Treten Sie vorsichtig auf oder wie gewohnt? Nehmen Sie Rücksicht auf das geräuschvolle Zerplatzen der Luftpolster?


Die Luftpolsterfolie durchzieht am Boden liegend den Raum und kleidet alle Ecken aus. Luftpolsterfolie dient den beiden Künstlern für gewöhnlich als Verpackungsmaterial ihrer bildnerischen Arbeiten und heute maskiert sie den Boden und weist auf die Unschärfe des Darunterliegenden hin.

Die Altkleidersäcke können auch als die Spitze des Eisbergs angesehen werden, sowie Kleidung oft als Maskierung dient. 

 

Im Wesen der Kunst liegt es, dass man sich auf die „andere Sprache“ einlässt, in dem heutigen Sinne auf die Unschärfe. Brillenträgerinnen und -träger können im Anschluss ihre Brille abnehmen und vorsichtig durch den Raum gehen, es ist wichtig auch diesen Spür-Sinn immer wieder zu schärfen. ;-)

 

Diese Rauminstallation bietet viele Erfahrungsmöglichkeiten. Hören Sie dem Platzen der Luftpölsterchen zu oder tauchen sie ein in die amorphen Bildwelten der beiden Künstler.

Ich wünsche Ihnen dabei spannende neue Entdeckungen und viel Freude heute Abend!

 

 

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

 

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